Nachdem die letzten Vorbereitungen abgeschlossen waren, konzentrierte sich alles auf die bevorstehende Abreise. Wir hatten notwendige Dokumente besorgt, wie internationale Führerscheine, Reisepässe für die Durchreise durchs damalige Jugoslawien, sowie polizeiliche Führungszeugnisse. Wir wussten, dass  in Griechenland für die ersten 3 Monate unseres Aufenhaltes der Personalausweis genügen würde. Danach würden Verlängerungen bei der nächsten Polizeistation möglich sein. Natürlich war es nur möglich, eine begrenzte Menge an Gepäck mitzunehmen. Wir errechneten ein Maß von 20kg pro Person. So wanderte zwangsläufig die eine oder andere Umzugskiste mit persönlichen Erinnerungsstücken in die Keller unserer Eltern. Geliebte Haustiere waren in gute Hände gegeben worden und der Tag der Abreise war endlich gekommen. Es war ein grauer Aprilvormittag. Der Dauerregen passte großartig zur Szenerie des Abschiednehmens. Ich spürte, dass die Aufbruchstimmung auch mir ein wenig in den Magen fuhr, doch gleichzeitig fühlte ich Aggressivität, einen treibenden Herzschlag. Zu viele Leute versteckten sich hinter ihrer Frisur. Es musste losgehen! Der ausdrucksvollste Abschied entsteht auf natürliche Art. Er wirkt kein bißchen erzwungen,.Er kommt einfach aus dir raus. Freunde waren da und wünschten uns viel Glück. Mütter weinten wie der Himmel und ich dachte, je mehr Widersprüche, desto besser. Es war so, als wenn man die eine Hand auf dem positiven Pol und die andere auf dem negativen zu liegen hatte. Dort die geliebten Menschen, die Heimat, dort das gelobte Land. Das war die Energie,davon konnte einem schwindelig werden. Aus Kostengründen wählten wir die Anreise über den berühmt-berüchtigten Jugo-Autoput. Die "Rallystrecke für Gastarbeiter" galt als eine der gefährlichsten Straßen Europas. Zerknitterte Autowracks und Kreuze mit Kränzen am Straßenrand alle paar Kilometer.

Eigentlich traf die Bezeichnung "Autobahn" nur auf kurze Teilstücke zu. Wir fuhren gemächlich über München, Passau ohne besondere Vorkommnisse, durch ein Stück Österreich nach Jugoslawien hinein. Wirklich spannend wurde es erst jetzt. Nello war der erfahrendste Fahrer. Er hatte schon einige Tausend Kilometer mit 24-Gang-40-Tonnern "gefressen" und fuhr unseren "Zug" sicher und gekonnt über die bis dahin guten Strassen. Damals war nur ein rund 80 km langes Stück bei Zagreb fertig gestellt, sowie ca. 100 km in Teilstrecken um Belgrad und zwischen Skopje und Nis. Im allgemeinen handelte es sich aber um eine gewöhnlich breite Landstraße mit relativ geradem Verlauf. Arne fuhr bis jetzt die kleine Honda. Ich hatte erst kurz zuvor die Fahrerlaubniss der Kl.1 erhalten und verfügte über keinerlei Motorraderfahrung. Ab Ljubljana führte die Straße ungefähr 900 km durch eintönig flaches Tiefland: Felder, die sich bis zum Horizont erstrecken, ab und zu Waldstücke. Hier kam ich zu meiner ersten längeren Fahrt. Der Straßenzustand verschlechterte sich, streckenweise verkam der Asphalt zu einer desaströsen Holperpiste und ich war viel zu aufgeregt um mich vom monotonem Schaukeln in den Schlaf schunkeln zu lassen. Merkwürdig dürre Hühner kauerten am Strassenrand, ganz nah an der Autobahn und unter meinem Helm kamen mir blöde Sprüche in den Sinn: "Aus faulen Eiern werden keine Küken" - ich wusste, es war Zeit für eine Rast...

Wir fuhren auf den nächsten Parkplatz. Dort bemerkten wir einen regelrechten Menschenauflauf. Wie wir etwas später bei einem Kaffee von einem jugoslawischem Gastarbeiter,der auf der Reise in den Heimaturlaub war, erfuhren, hatte die Autobahnpolizei einen tiefhängenden Ford-Transit gestoppt. Bei der Kontrolle holten sie 15 Türken aus dem Auto, der 16te war aus Platzmangel auf dem Dach festgeschnallt! Dazu kamen Unmengen von Gepäck. Diese erlesene Reisegesellschaft hatte offenbar die Abfahrt der Nah-und Fernostroute kurz hinter Belgrad nach Istanbul verpasst... Ein anderer Reisender erzählte, ein Fahrer wurde bei der gleichen Kontrolle nach 30 Stunden Non-Stop-Fahrt erwischt und schlief bei seiner Festnahme bzw. der Überprüfung seiner Personalien im Polizeiwagen sofort ein. Wäre es doch ratsam gewesen, die zwar teurere aber ungleich sichere Route durch Italien, hin zu einem Hafen mit Fährverbindung nach Piräus, zu wählen?! Immer mehr "Horrorgeschichten" von redseligen Reisenden wurden erzählt. Langsam ging die Sonne unter und tauchte die staubige Fahrstrecke in ein seichtes, samtenes Licht. Ich stand etwas abseits, der schwarze Kaffee in meinem Becher war nicht schlecht und ich hörte Claudettes Vorschlag wie durch eine Nebelwand: Wir sollten besser seitlich abfahren in einen der kleineren Orte und ein Gasthaus suchen. So wurde es beschlossen. Es war klar, daß wir nicht Nachts fahren würden. Besonders die Zeit bis ca.1 Stunde nach Mitternacht galt als besonders gefährlich. In dieser Zeit wird besonders rigoros überholt-vermutlich da alle vor dem Schlafen noch recht viele Kilometer herausholen wollen.

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